Fibromyalgie-Netzwerk Saarland
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Was Sie vor der Einnahme eines Medikamentes beachten sollten

 

„ Das Verlangen, Medikamente einzunehmen, ist vermutlich der wesentlichste Zug, worin sich Mensch und Tier unterscheiden“ (Sir William Osler, 1849-1919:  Kanadischer Arzt. Um 1900 war er der bekannteste Mediziner im englischsprachigen Raum)

 

Der folgende Beitrag will die Leserin/den Leser im selbst-verantwortungsvollen Umgang mit Medikamenten unterstützen. Ich gebe Hinweise, was bei der Einnahme von Medikamenten im Allgemeinen und beim FMS im Besonderen, beachtet werden soll.

 

1. Es gibt kein Medikament, das bei jedem Patienten wirkt – das gilt für jede Krankheit und jedes Medikament. Eine medikamentöse Behandlung mit Zellgiften (Zytostatika) verkleinert oder heilt nicht jede Krebserkrankung. Ein bestimmtes Antibiotikum hilft nicht bei jeder Lungenentzündung. Dieser Grundsatz ist noch wichtiger bei Erkrankungen wie dem FMS, bei denen der Erfolg einer medikamentösen Behandlung „nur“ durch Änderungen des subjektiven Befindens des Patienten, und nicht -  zusätzlich – an Hand von Blutuntersuchungen oder Röntgenbildern nachgewiesen werden kann.

 

2. Medikamente haben Nebenwirkungen: Nebenwirkungen werden nach Häufigkeit und Schweregrad unterteilt. Die Häufigkeit reicht von sehr häufig (> 10%) bis sehr selten (<0.01%). Der Schweregrad reicht von gering (subjektiv lästig, medizinisch harmlos) bis tödlich.

 

3. Über die Bedeutung (Schweregrad) einer subjektiven Nebenwirkung soll der Patient entscheiden: Es gibt Nebenwirkungen von Medikamenten, die medizinisch ungefährlich sind, jedoch für einzelne Patienten unterschiedlich schwerwiegend sind, z. B. Gewichtszunahme oder Potenzstörungen. Eine weitere Gewichtszunahme kann für einen bereits übergewichtigen Patienten eine subjektive Katastrophe bedeuten, während sie bei einem untergewichtigen Patienten als therapeutische Nebenwirkung willkommen sein kann. Ob ein Patient für eine mögliche Schmerzreduktion eine mögliche Potenzstörung (z. B. durch ein Morphinpräparat) in Kauf nehmen will, kann von seiner Risikobereitschaft bzw. der Bedeutung, die Sexualität für ihn hat, abhängen.

 

4. Eine medikamentöse Therapie des FMS ist nicht unbedingt notwendig (das gilt auch für jede nicht-medikamentöse Therapie des FMS). Eine medikamentöse Therapie ist aus medizinischer Sicht dann unbedingt notwendig, wenn der Patient ohne das Medikament (früher) sterben würde. Wenn ein Mensch mit einer Zuckerkrankheit (Diabetes mellitus), bei dem die Bauchspeicheldrüse kein Insulin mehr produziert, kein künstlich hergestelltes Insulin spritzt, wird er sterben. Wenn ein Patient nach einem Herzinfarkt kein Blutgerinnunghemmer (z. B. Aspirin) nimmt, hat er ein höheres Risiko, einen erneuten Herzinfarkt zu erleiden, als ein Patient, der den Blutgerinnunghemmer einnimmt. Kein Patient stirbt am FMS stirbt. Das FMS verkürzt die Lebenserwartung nicht. Daher ist eine medikamentöse Therapie des FMS aus medizinischer Sicht nicht unbedingt notwendig.

 

5. Es gibt kein Medikament, das beim FMS alle Beschwerden vollständig lindert, d.h. zu einer Heilung führt. (Das gilt auch für alle nicht-medikamentöse Verfahren). Bitte machen Sie sich klar, dass diese Aussage auch für die meisten chronischen Krankheiten gilt. Es gibt auch kein Medikament, das einen Bluthochdruck oder eine Zuckerkrankheit (Diabetes mellitus) heilt. Daher ist es wichtig, realistische Therapieziele zu haben (siehe Punkt 6).

 

6. Die Ziele einer (medikamentösen) Therapie beim FMS sind der Erhalt und die Verbesserung der Funktionsfähigkeit im Alltag und die Reduktion der Beschwerden. Ich weise Patienten immer wieder darauf hin, dass eine Verbesserung der Funktionsfähigkeit im Alltag möglich ist, auch wenn die Schmerzen unverändert bleiben.

 

7. Woran kann festgestellt werden, dass ein Medikament beim FMS hilft? Die positive Wirksamkeit eines Medikamentes kann am besten der Patient feststellen. Sind die Schmerzen und die Müdigkeit weniger geworden, haben der Schlaf und die Leitungsfähigkeit im Alltag sich spürbar verbessert, geht es dem Patienten insgesamt besser? Manchmal kann auch eine Rückmeldung von Angehörigen oder Ärzten dem Patienten helfen, den Erfolg einer Therapie zu beurteilen, z. B. „Ich habe den Eindruck,dass Dir das Spazierengehen .. die Hausarbeit leichter fallen .. „ Sie wirken gelöster“. Da es den meisten Menschen schwer fällt, sich genau zu erinnern, wie es Ihnen vor 4 Wochen ging, kann es hilfreich sein, 2-4 Wochen vor Beginn einer neuen Behandlung und während der ersten 2-4 Wochen einer neuen Behandlung ein Symptomtagebuch zu führen, in dem täglich die durchschnittliche Schmerzstärke, Ausmaß der Schlafstörungen und Müdigkeit und Einschränkungen der körperlichen und geistigen Leistungsfähigkeit auf einer Skala von 0-100 (0= keine Beschwerden/Beeinträchtigungen, 100= maximale Beschwerden/Beeinträchtigungen) eingetragen werden. An Hand dieser Eintragungen kann der Patient sehen, ob sich sein Befinden durch die Behandlung verändert. Durchschnittswerte der Beschwerden vor und unter der Therapie können errechnet werden. Ich kenne auch Patienten, die tragen diese Werte in eine Excel-Datei auf dem PC ein, damit Sie und ihr Arzt den Beschwerdeverlauf graphisch sehen können.

Ich empfehle Patienten, für sich vor der Einleitung einer Behandlung festzulegen, mit welcher Beschwerdereduktion Sie zufrieden wären, d.h. eine Behandlung als erfolgreich ansehen würden.

In wissenschaftlichen Studien wird die Wirksamkeit eines Medikamentes nach 2 Kriterien beurteilt.

a. Die durchschnittliche Veränderung der Beschwerden (durchschnittliche Schmerzstärke, Ausmaß der Schlafstörungen und Müdigkeit und Einschränkungen der körperlichen und geistigen Leistungsfähigkeit) in der Gesamtgruppe der Patienten, welche das Medikament erhielten im Vergleich zu der Gesamtgruppe der Patienten, die ein  Scheinmedikament (Placebo) erhielten. Der Durchschnittswert setzt sich aus Werten von Patienten zusammen, die auf das Medikament sehr gut, aber auch überhaupt nicht oder nur gering angesprochen haben.

b. Die Anzahl der Patienten, die eine 30% bzw. 50% Reduktion der Beschwerden mit dem echten Medikament und dem Scheinmedikament erzielt haben. Eine 30% Schmerzreduktion wird aus ärztlicher Sicht als bedeutsam (Behandlungserfolg), eine 50% Schmerzreduktion als sehr bedeutsam (großer Behandlungserfolg) bewertet. Diese Patienten werden auf englisch „Responder“= auf Therapie Ansprechende genannt. Was bedeutet das konkret? Der Wert für die Schmerzintensität bei Beginn einer Studie bei FMS Patienten liegt meist bei 70 (0-100 Skala). Eine 30% Schmerzreduktion bedeutet also, dass der Patient am Ende der Therapie eine Schmerzintensität von 49 und bei einer 50% Schmerzreduktion eine Schmerzintensität von 35 angibt.

 

8. Woran kann festgestellt werden, dass ein Medikament Nebenwirkungen hat?

Subjektive Nebenwirkungen kann vor allem der Patient feststellen (z. B. vermehrtes Hungergefühl, Potenzstörung, Wassereinlagerungen in Beine). Einige Nebenwirkungen von Medikamenten, die beim FMS häufig eingesetzt werden (z. B. Antidepressiva), sind auch Symptome des FMS (z. B. Müdigkeit, Benommenheit). Daher ist es manchmal schwierig festzulegen, ob eine Zunahme der Müdigkeit Nebenwirkung des Medikamentes oder eine natürliche Symptom-Schwankung im Verlauf des FMS ist.

Einige Nebenwirkungen kann nur der Arzt durch Blutuntersuchungen feststellen, z. B. Anstiege der Leberwerte unter einer Therapie. Die in den Beipackzetteln einiger Medikamente empfohlenen regelmäßigen Blutbildkontrollen sind manchmal mit dem Budget, das der Arzt von der gesetzlichen Krankenkasse für den Patienten erhält, nicht abgedeckt (z. B. wenn das Budget wegen teuerer Medikamente oder Verschreibungen von Lymphdrainage ausgeschöpft ist).

 

9. Der Nutzen eines Medikamentes ergibt sich aus dem Abwägen der positiven Wirkungen und der Nebenwirkungen. Der Nutzen kann nur durch eine regelmäßige Erfassung der der positiven Wirkungen und der Nebenwirkungen durch Patient und Arzt festgestellt werden (siehe Punkt 7 und 8).

 

10. Nach welchen Kriterien soll ein Arzt einem FMS-Patienten ein Medikament empfehlen? Ein Empfehlungskriterium sind die in Leitlinien empfohlenen Medikamente. Die Flut der Therapie-Studien in wissenschaftlichen Zeitschriften kann kein Arzt selbst im Original lesen. In Leitlinien wird Ärzten das zur Verfügung stehende Wissen aus wissenschaftlichen Studien aufbereitet und Empfehlungen zur Therapie ausgesprochen. Der Arzt ist nicht verpflichtet, sich an die Empfehlungen der Leitlinie zu halten, z. B. weil der Patient, der gerade vor ihm sitzt, mit seinen ganzen Begleiterkrankungen durch die Studien, die den Empfehlungen der Leitlinie zu Grunde liegen, nicht erfasst wurde. Manche Ärzte verlassen sich bei ihren Therapieempfehlungen auf ihre individuelle ärztliche Erfahrung, welche sich von den Empfehlungen der Leitlinie unterscheiden kann.

 

11. Nach welchen Kriterien soll sich ein Patient für eine medikamentöse Therapie entscheiden?  Die Idee, über eine mögliche medikamentöse Therapie nachzudenken, kann vom Arzt oder auch vom Patient (Tipps anderer Patienten, Zeitschriftenlektüre) ausgehen. Der Patient soll sich Informationen einholen, wie hoch die Erfolgsaussichten und wie hoch die Risiken einer Therapie sind. Diese Informationen kann der Patient von seinem Arzt erfahren, wenn er die Daten über das Medikament kennt (z. B: aus der wissenschaftlichen FMS-Leitlinie). Es gibt so viele Medikamente, dass der Patient nicht von jedem Arzt erwarten kann, dass er ihn umfassend über jedes Präparat beraten kann. Schmerztherapeuten, Neurologen und Psychiater sind mit einigen beim FMS eingesetzten Medikamenten wie Antidepressiva oder spezielle Schmerzmittel am besten vertraut. Bei der Auswahl eines Medikamentes ist auch zu berücksichtigen, welche Begleiterkrankungen ein Patient hat, bei denen das Medikament nicht gegeben werden darf bzw. ein erhöhtes Komplikationsrisiko besteht. Z. B. dürfen manche Antidepressiva beim grünen Star nicht eingesetzt werden. Bei der Auswahl eines Medikamentes ist daher ärztliches Wissen notwendig. Ob ein Patient dann eine medikamentöse Behandlung beginnt oder nicht, ist seine individuelle Entscheidung. Der Patient soll den möglichen Nutzen und die möglichen Risiken abwägen.

 

12. Wie lange soll ein Medikament eingenommen werden, um zu überprüfen, ob es nutzt? Um zu überprüfen, ob ein Medikament nutzt (siehe 9), sind 2-4 Wochen notwendig (Testphase). Wenn nach dieser Zeit kein Nutzen aus Sicht des Patienten nachweisbar ist, d.h. keine aus Patientensicht bedeutsame (siehe Punkt 7) Verbesserungen eingetreten sind bzw. die Nebenwirkungen die positiven Wirkungen überwiegen, soll das Medikament abgesetzt werden. Aktuelle Studien weisen darauf hin, dass „Responder“ auf eine Therapie innerhalb 2-4 Wochen identifiziert werden können. Eine längere Einnahme als 4 Wochen mit der Hoffnung, dass das Medikament irgendwann nutzen wird, ist nicht sinnvoll.

 

13. Wie lange soll ein Medikament eingenommen werden, das seinen Nutzen in der Testphase bewiesen hat? Diese Frage lässt sich nur eingeschränkt auf Grund der wissenschaftlichen Studien beim FMS beantworten, da die publizierten Ergebnisse  nur für die Dauer von maximal 1 Jahr vorliegen. Nach einer erfolgreichen Testphase soll ein Medikament nur so lange genommen wird, wie es nutzt (positive Wirkungen überwiegen Nebenwirkungen). Es bestehen zwei Möglichkeiten: Einnahme so lange wie Nutzen feststellbar oder Medikamentenauslassversuch nach 6-12 Monaten. Beim Medikamentenauslassversuch kann überprüft werden, ob die Beschwerden und Beeinträchtigungen ohne das Medikament zunehmen oder nicht. Möglicherweise haben in der Zwischenzeit nicht- medikamentöse Therapieverfahren wie Funktionstraining „gegriffen“ oder die Symptomatik hat sich von selbst abgeschwächt.  Wenn die Beschwerden und Beinträchtigungen nicht zunehmen, soll das Medikament nicht mehr genommen werden. Im Falle der Zunahme der Beschwerden und Beeinträchtigungen soll überprüft werden, ob das Wiederansetzen des Medikamentes die Beschwerden und Beeinträchtigungen wieder lindert.

Studien zeigen, dass die Beschwerden des FMS meist lebenslang bestehen. Aber viele Betroffene lernen im Laufe der Zeit, mit den Beschwerden und Beeinträchtigungen besser zu Recht zu kommen. Diese eher günstige Prognose des FMS spricht aus meiner Sicht für Medikamentenauslassversuche und gegen eine lebenslange Einnahme von FMS-Medikamenten.

 

14. Welche Medikamente sind in Deutschland zur Therapie des FMS zugelassen? Es gibt kein Medikament, das in Deutschland zur Therapie des FMS ausdrücklich zugelassen ist. Die US Amerikanische Arzneimittelbehörde hat 3 Medikamente zur Therapie des FMS zugelassen: Duloxetin (Cymbalta ®), Milnacipran (Ixel ®, Savella ®) und Pregabalin (Lyrica ®). Die europäische Arzneimittelbehörde hat die Zulassung dieser Medikamente abgelehnt, weil die vorgelegten Studien aus Sicht der Behörde den Nutzen nicht eindeutig belegten. Aus einer wissenschaftlichen Perspektive kann ich die Argumentation der europäischen Arzneimittelbehörde  nachvollziehen. Zusammen mit Kollegen habe ich die Studien, in denen diese Medikamente gegen Scheinmedikamente verglichen wurden, analysiert. Der Anteil der Patienten, die von der Therapie profitieren (30% Schmerzreduktion) und die wegen Nebenwirkungen die Therapie abbrechen, ist ungefähr gleich, d.h. über alle Patienten gemittelt, liegt kein Nutzen vor. Das bedeutet, dass es Patienten gibt, bei denen der Nutzen und andere Patienten gibt, bei denen der Schaden überwiegt. Wenn die  europäische Arzneimittelbehörde  bei anderen Medikamenten (z. B. Antidepressiva zur Behandlung von Depressionen) gleich strikt vorgegangen wäre, hätten aus meiner Sicht viele Antidepressiva, die in Deutschland zugelassen sind, nicht zugelassen werden dürfen.

 

15. Darf der Arzt keine Medikamente wegen FMS-Beschwerden verordnen? Der Arzt kann Ihnen unter bestimmten Voraussetzungen Medikamente wegen Ihrer FMS-Beschwerden verordnen.

a. Amitriptylin  (z. B. Saroten®) ist in Deutschland zur Therapie chronischer Schmerzen (und damit auch des FMS) im Rahmen eines therapeutischen Gesamtkonzeptes (d.h. in Kombination mit Trainingstherapie, psychologischen Verfahren) zugelassen.

b. Es liegt eine Begleiterkrankung vor, für die das Medikament zugelassen. 30-80% der FMS-Patienten habe eine zusätzliche Depression oder Angststörung. Duloxetin (Cymbalta ®) ist in Deutschland zur Behandlung von Depressionen und generalisierter Angststörung und Pregabalin (Lyrica ®) zur Therapie der generalisierten Angststörung zugelassen. Diese Medikamente können daher für eine begleitende depressive Störung oder generalisierte Angststörung verordnet werden. Nichtsteroidale Antirheumatika, und Opioide können bei einer zusätzlich bestehenden Arthose (Verschleiß) des Hüftgelenkes verordnet werden.

c. Die FMS-Beschwerden lassen sich durch den Arzt auch mit anderen Diagnosen verschlüsseln, z. B. chronischer Rückenschmerz der Hals- und Lendenwirbelsäule. Für diese Diagnosen sind einige Medikamente wie Nichtsteroidale Antirheumatika (NSAR), Muskelrelaxantien und Opioide zugelassen. 

 

16. Wo finden Arzt und Patient Hinweise, welche Medikamente beim FMS empfohlen und welche nicht empfohlen sind?  In der wissenschaftlichen Leitlinie

www.uni-duesseldorf.de/AWMF/ll/041-004.htm www.aerzteblatt.de/v4/archiv/artikel.asp?src=suche&p=fibromyalgie&id=64880

und Patientenleitlinie des FMS (www.uni-duesseldorf.de/AWMF/ll/041-004p.htm).

Amitriptylin  (z. B. Saroten®), Duloxetin (Cymbalta ®) und Pregabalin (Lyrica ®) sind u.a. in der Leitlinie zur medikamentösen Therapie des FMS empfohlen. Von NSAR wird abgeraten, dass es einen Nachweis einer fehlenden Wirksamkeit beim FMS gibt. Muskelrelaxantien, Paracetamol, Metamizol (z. B. Novalgin ®)  und Opioide (mit Ausnahme von Tramadol, z. B. Tramal ®) werden nicht empfohlen, da es keine aussagekräftigen Studien beim FMS gibt.

 

17. Eine Anmerkung zu Antidepressiva: Manche Patienten stehen einer medikamentösen Schmerztherapie mit Antidepressiva ablehnend gegenüber, weil sie sagen „Ich habe Schmerzen und bin nicht depressiv“. Diese Patienten sollen wissen, dass einige sogenannte Antidepressiva eine schmerzreduzierende Wirkung beim FMS haben, die (weitgehend) unabhängig von ihrer antidepressiven Wirkung ist, d.h. eine Schmerzlinderung ist auch bei nicht-depressiven Patienten möglich. Im Gehirn sind dieselben Nervenbotenstoffe bei Schmerz und bei Depression von Bedeutung. Schmerzmodulator wäre daher ein angemessener Namen als Antidepressivum.

 

18. Wie groß ist die Erfolgsaussicht einer 50% Schmerzreduktion durch ein in der Leitlinie empfohlenes Medikament? Bei den empfohlenen Medikamenten Amitriptylin  (z. B. Saroten®), Duloxetin (Cymbalta ®) und Pregabalin (Lyrica ®) gaben in den Studien 25-42% der Patienten in der Gruppe mit dem echten Medikament und 12-25% der Patienten mit dem Scheinmedikament am Ende der Behandlung eine 50% Schmerzreduktion an. Aus den Daten lässt sich schlussfolgern, dass ca 50% der Wirkung der Medikamente auf Placeboeffekte (z. B. Zuwendung durch Arzt in der Studie, Glaube an Wirksamkeit von Medikamenten) zurückzuführen sind (siehe einleitendes Zitat). Diese – recht guten – Wirksamkeitsdaten aus wissenschaftlichen Studien können nur eingeschränkt auf alle FMS-Patienten übertragen werden. An wissenschaftlichen Studien nehmen meist Patienten mit einer positiven Einstellung gegenüber Medikamenten teil. In den Studien zu den genannten Medikamenten wurden Patienten mit zusätzlichen entzündlich-rheumatischen Erkrankungen und in den Pregabalin-Studien Patienten mit Depression und Angststörungen ausgeschlossen. Die Erfolgsraten in der klinischen Routineversorgung, d.h. außerhalb wissenschaftlicher Studien, sind daher niedriger.

 

Verfasser Prof. Dr. med. Winfried Häuser

 

Letzte Aktualisierung 26.01.2020